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Immobilien

Zukunftsmodell Effizienzhaus – Warum Klimaschutz einen hohen Preis hat

Für das Erreichen der Klimaschutzziele beim Bau von Wohnhäusern mit geringem Energieverbrauch gibt der Staat Milliarden aus. Doch das beliebteste Förderprogramm für Neubauten des Effizienzhausstandards 55 läuft Ende Januar 2022 aus. Anschließend erhalten nur noch Bauherren von kostspieligen Effizienzhäusern Standard 40 eine Förderung. Erfahren Sie mehr über Neubau-Standards und warum das gestrichene KfW Programm von Umwelt- und Verbraucherschützern kritisiert wird.

January 14, 2022
6
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FINEXITY
AG
Redaktion

Neubau-Zuschuss erst ab Effizienzhaus Standard 40

Wenn es um den Klimaschutz geht, kommt Immobilieneigentümern eine bedeutende Rolle zu. Denn etwa 35 Prozent des gesamten, deutschen Endenergieverbrauchs entfallen auf Gebäude. Besonders energieaufwändig sind dabei Wohnhäuser: In Ein- und Zweifamilienhäusern werden 39 Prozent der gesamten Energie genutzt, Mehrfamilienhäuser schlagen mit 24 Prozent zu Buche. Die restlichen 37 Prozent werden von Nichtwohngebäude verbraucht.

Deshalb hat die Bundesregierung zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beschlossen, den Wärmebedarf von Gebäuden bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Bis 2050 soll der Primärenergiebedarf um 80 Prozent reduziert werden, der Gebäudebestand soll dann nahezu klimaneutral sein.

Infolgedessen trat am 1. Juli 2021 eine Änderung innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) in Kraft, wonach die staatliche Förderbank KfW Neubauförderung des Effizienzhauses 55 Standards zum 1. Februar 2022 auslaufen wird. Die Bundesregierung begründete den Beschluss damit, dass Fördergelder zukünftig vermehrt dahinfließen sollen, wo das CO2-Einsparpotenzial am höchsten ist. Sprich: in Gebäudesanierungen und besonders effiziente Neubauten nach Effizienzhaus 40 Standard.

Die Änderung stößt auf herbe Kritik, denn zum einen sind die KfW Zuschüsse sehr gefragt: 2021 wurden bis Ende September insgesamt zwölf Milliarden Euro Fördermittel bewilligt, wobei ein Drittel auf Effizienzhaus 55-Neubauten entfiel. Zum anderen werden Neubauten durch die Effizienzhaus 40 Anforderungen teuer. Deshalb bleibt Bauherren nur die zeit- und kapitalintensive Umplanung auf Standard 40, der Verzicht auf Fördermittel oder die Entscheidung, nur die gesetzlichen Mindestanforderungen umzusetzen, die aktuell in etwa dem Effizienzhaus Standard 70 entsprechen.

Die Effizienzhaus-Standards im Überblick

Egal ob Neubau oder sanierungsbedürftiges Bestandsgebäude: Je energieeffizienter ein Haus wird, desto mehr Förderungsgelder kann der Bauherr bzw. Eigentümer vom Staat erhalten. Entweder direkt als Zuschuss oder über einen zinsgünstigen Kredit in Verbindung mit einem Tilgungszuschuss. Die Höhe der Förderung hängt von der tatsächlich erzielten Effizienzhaus-Stufe ab, wobei sich die maximale Kredithöhe auf bis zu 150.000 Euro, der Tilgungszuschuss oder der Investitionszuschuss auf bis zu 37.000 Euro beläuft.

Es gibt fünf Effizienzhaus Standards: 40 (Plus), 55, 70, 85 und 100. Je kleiner die Kennzahl, desto geringer ist der Energiebedarf der Immobilie im Verhältnis zu einem vom Gebäudeenergiegesetz (GEG) definierten Standardhaus.

  • KfW Effizienzhaus 70

Das KfW Effizienzhaus 70 benötigt im Jahr 30 Prozent weniger Primärenergie, als das Referenzhaus.

  • KfW Effizienzhaus 55

Ein KfW Effizienzhaus 55 darf lediglich 55 Prozent der Energie des Niedrigenergiehauses (KfW 100) pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr verbrauchen.

  • KfW Effizienzhaus 40

Der Primärenergiebedarf eines KfW Effizienzhaus 40 darf maximal 40 Prozent und der Transmissionswärmeverlust höchstens 55 Prozent betragen.

Kritik an der Streichung der KfW 55 Förderung

Bislang planten viele Projektentwickler mit KfW 55, weil es für Bauherren bis zum Stichtag am 1. Februar 2022 neben günstigen KfW-Darlehen auch einen Zuschuss von maximal 26.250 Euro gab. Ab diesem Zeitpunkt werden nur noch anspruchsvollere und entsprechend teurere Standard 40 Effizienzhäuser gefördert. Unter Umständen ist es auch möglich, laufende Planungen vom Effizienzhaus Standard 55 auf den Effizienzhaus Standard 40 umzustellen – doch auch hierbei gibt es gravierende Nachteile, die für Kritik auf breiter Front sorgen.

  • Kritik 1: Mehr Zeitaufwand und Kosten für Bauherren

Um den höheren Energiestandard 40 zu erreichen, sind teils kostspielige, haustechnische Maßnahmen notwendig, die Bauherren zur kurzfristigen Umplanung oder der Umsetzung des weniger klimafreundlichen Effizienzhaus Standard 70 zwingen. Zu den bautechnischen Effizienzhaus Standard 40 Anforderungen zählen u.a. ein umfassender Wärmeschutz und der Einsatz erneuerbarer Energien. Als Wärmeerzeuger dienen zum Beispiel Pellett-Heizungen, Solarthermie-Anlagen oder Wärmepumpen.

  • Kritik 2: Bremse für Wohnungsbau

DAuch die deutsche Wohnungswirtschaft übt Kritik an der Streichung der Effizienzhaus 55 Förderung. Denn ohne finanzielle Unterstützung sind Projekte mit höherem Klimastandard für viele Bauherren nicht mehr bezahlbar. Auch im Mietwohnungsbau sei die Finanzierung von höherer Energiestandards nur über deutlich höhere Mieten realisierbar. Die vollständige Abschaffung der Förderung sei daher nicht verständlich und unsozial.

Fazit: klimafreundliches Bauen ist im Mainstream angekommen

Bauherren stehen vor der Entscheidung: mehr Zeit und Geld in die Hand nehmen und rasch auf den 40-er-Standard zielen oder auf staatliche Unterstützung verzichten, energetische Ambitionen zurückschrauben und nur die gesetzlichen Mindestanforderungen umsetzen. Fällt die Entscheidung deshalb vermehrt zugunsten eines Effizienzhaus Standard 70, so konterkariert dies die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung.

Trotz der Diskussion um Fördermittel- und Möglichkeiten, die zur Wärmewende im deutschen Bausektor beitragen sollen, stimmt die generelle Entwicklung: Laut Daten der Deutschen Energie Agentur (dena) gab es 2020 eine deutlich höhere Anzahl an Effizienzhäusern als in den Jahren 2018 und 2019. Vor allem im Bereich Neubau wurde das EH 55 mit 79 Prozent am meisten gebaut, gefolgt vom EH 40 Plus mit 13 Prozent – Tendenz steigend. Insofern ist davon auszugehen, dass klimafreundlicheres Bauen und Sanieren langfristig zum „Mainstream“ wird. Essenziell dafür ist jedoch, dass verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die soziale und zugleich nachhaltige Bauprojekte beschleunigen, statt verkomplizieren.